Mitchell Cohen war einst Redakteur der gemäßigt linken New Yorker Zeitschrift
Dissent und bekennt sich zu sozialdemokratischen Ideen. Jüngst legte er ein
Buch zur "Politik der Oper" vor. Er publizierte in der Vergangenheit auch zu den Themen Zionismus und Israel und hat 2007 in
Dissent einen prophetischen
Artikel über den neu aufblühenden
linken Antisemitismus publiziert. Nun
spricht er mit der Redaktion von
Fathom erneut über dieses Thema - im grellen Licht des
7. Oktober und der Folgen. Dabei macht er zwei Dinge klar: Man konnte immer
ein Linker sein, ohne Mord schön zu reden, auch etwa in Zeiten des Stalinismus. Und die
israelische Rechte hat ein riesiges Stück Mitverantwortung am heutigen Schlamassel, wobei gegen eilfertige "Kontextualisierungen" festzuhalten ist: "So wie die 'white supremacy' und das Gift der Theorie vom 'großen Austausch' nicht Schuld der Afroamerikaner sind, sondern Ausdruck des Rassismus, so ist auch der Antisemitismus, einschließlich der antizionistischen Variante, nicht auf die bösen Juden und Zionisten zurückzuführen, sondern
auf Vorurteile." Im grassierenden linken Antisemitismus erkennt Cohen Pathologien der westlichen Linken in der Stalin-Zeit wieder: Man bemäntelt "
kognitive Dissonanzen", um sich seine "theoretischen Mythen" nicht kaputt machen zu lassen. Der von der Linken heute vergottete "
globale Süden" spielt dabei eine ganz eigene Rolle, die Cohen an
Südafrika exemplifiziert: "Widerstand gegen Imperialismus und Kolonialismus war schon immer Teil jedes moralisch intelligenten linken Programms und sollte es auch sein. Die Dekolonisierung nach dem Zweiten Weltkrieg war von weltgeschichtlicher Bedeutung. Sie gipfelte in vieler Hinsicht in
Nelson Mandelas heldenhafter Führung der Befreiung Südafrikas von der Apartheid. Doch drei Jahrzehnte später befindet sich die von ihm geführte Partei in einem miserablen Zustand, wie auch Südafrika insgesamt, und ihr droht der Niedergang bei den Wahlen. Also versucht sie, sich zum moralischen Anführer des 'Globalen Südens' zu machen und beschuldigt Israel des Völkermords und der Apartheid, will aber Russlands Invasion in der Ukraine nicht verurteilen. Das ist
Suche nach dem Sündenbock und hat überall, auch bei der westlichen Linken, große Unterstützung gefunden."