Magazinrundschau - Archiv

Hlídací pes

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Magazinrundschau vom 21.11.2023 - Hlidaci pes

Während der 17. November, der Jahrestag der Samtenen Revolution, von den tschechischen Studenten genutzt wurde, um drei Tage lang in den Universitätsstreik für das Klima und einen "Kapitalismus mit menschlichem Antlitz" (so Martin Fendrych in Aktuálně) zu treten, sind gleichzeitig drei alte Herren, ehemalige Unterzeichner der Charta 77, in den Hungerstreik getreten, um ehemaligen Dissidenten eine würdige Rente zu ermöglichen. Der Streikanführer Jiří Gruntorád, Gründer der Bibliothek für Samizdat- und Exilliteratur Libri Prohibiti, saß während der kommunistischen Regimes zweimal im Gefängnis, "vier Jahre für versuchten Republikumsturz, für Verbreitung der Gedichte von Jaroslav Seifert und Bohuslav Reynek", wie Jan Urban berichtet: "Als er sich damals beschwerte, von den Wächtern geschlagen worden zu sein, bekam er zusätzliche vierzehn Monate Haft dafür, dass er sich angeblich selbst verletzt habe. Nach seiner Entlassung blieb er unter strengster 'Schutzaufsicht' und durfte nicht einmal als Heizer arbeiten." Auch viele andere Dissidenten konnten meist nicht in den Berufen arbeiten, für die sie eigentlich qualifiziert waren, oder verloren durch ihre Jahre in der Emigration weitere Rentenansprüche. Weshalb es nun für manche kaum zum Überleben reicht, während ehemalige Stasi-Angestellte von einer guten Rente profitieren. Eigentlich hatte sich die aktuelle Regierung auch auf die Fahnen geschrieben, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, doch ihre Versprechen sind bisher nicht eingelöst worden, weshalb nun die drei ehemaligen Regimegegner, "deren Leben Stoff für jahrelange Serienstaffeln hergeben würde", so Jan Urban, sich für ihren Hungerstreik direkt vor dem Regierungsbüro positioniert haben, um auch für die zu kämpfen, die bereits älter und schwächer seien als sie. Urban hofft, die kommenden Tage würden zeigen, ob die Regierung sich dieser "beschämenden Situation" stellen werde. "Es geht um Würde und Gerechtigkeit, nicht mehr und nicht weniger."

Magazinrundschau vom 07.11.2023 - Hlidaci pes

Nach dem Antritt der neuen slowakischen Regierung unter dem rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Robert Fico übertrifft die sich abzeichnende Medienpolitik bereits jetzt die "wildesten Erwartungen", wie Vojtěch Berger berichtet. Der stellvertretende Parteivorsitzende von Smer, Ľuboš Blaha, hatte schon während der Wahlkampagne angekündigt, die Partei werde, wenn sie an die Macht komme, mit NGOs und den Medien "aufräumen". Und Ficos Beraterchef Erik Kaliňák wolle dem Premier vorschlagen, auf Auslandsreisen keine "sogenannt seriösen Mainstream-Medien" mehr mitzunehmen. Als neuer Chef des Medienausschusses des slowakischen Parlaments figuriert ferner Roman Michelko, ehemaliger Kommentator des russischen Nachrichtenportals Sputnik sowie der Verschwörungsplattform Zem a Vek. Die neue Kulturministerin ist ausgerechnet Martina Šimkovičová, eine ehemalige Fernsehmoderatorin, die seit einigen Jahren zusammen mit (dem Neuabgeordneten) Petr Kotlár den Youtube-Kanal TV Slovan betreibt, in dem regelmäßig Vertreter der extremen Rechten oder auch Kreml-Anhänger zu Wort kommen; in den Interviewthemen oder Ansichten der Moderatoren sei es häufig um Kritik an den Coronamaßnahmen, am Impfen sowie an den Mainstream-Medien gegangen, wie Berger berichtet. Kotlár habe auch angekündigt, er wolle in der Politik Aufklärung über die sogenannten Chemtrails betreiben. Fico selbst will offensichtlich auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk RTVS an den Kragen, der nun in Fernsehen und Hörfunk gespalten und mit neuen Chefposten besetzt werden soll. Einen ersten Eindruck vom neuen Medienumgang, so Vojtěch Berger, konnte man kürzlich auf der Pressekonferenz der Slowakischen Nationalpartei SNS gewinnen, wo der Pförtner keine Journalisten der investigativen Zeitung Denník N, der Tageszeitung SME oder des Portals Aktuality.sk mehr einließ, während Betreiber verschiedener Youtube-Kanäle oder Internetsendungen wie das tschechische Raptor TV hineindurften. In dem radikalen Setzen auf sogenannte "Alternativmedien", darunter eindeutig prorussische, sieht Vojtěch Berger auch im Vergleich mit Ficos früheren Regierungen und seinem Kampf gegen Journalisten noch einmal eine deutliche Verschiebung. "Die Slowakei tritt so in eine völlig neue politisch-mediale Realität ein, die (nach den wilden Neunzigerjahren unter Mečiar, Ficos Angriffen auf die Medien und zuletzt sogar dem Mord an dem Journalisten Kuciar) einmal mehr zeigen muss, wie viel der freie Journalismus dort noch aushalten wird."

Magazinrundschau vom 14.02.2023 - Hlidaci pes

Eine auf mittel- und osteuropäische Bedürfnisse zugeschnittene Version des eigentlich amerikanischen QAnon-Gemunkels zieht auch in Tschechien ihre Kreise, wie Jan Žabka zusammen mit der italienischen Investigativredaktion IrpiMedia untersucht hat. Eine tragende Rolle spielt dabei wieder einmal der Telegram-Messenger. Verschwörungstheorien plus Esoterik bieten dort auf zahlreichen Accounts den üblichen "Konspiritualität"-Mix, hinzu komme die rhetorische Heraufbeschwörung eines neuen Panslawismus. So werde etwa der Tod von Queen Elizabeth als Vorbote eines neuen Zeitalters propagiert, in dem die angebliche "angelsächsische Herrschaft über die Menschheit bald der Herrschaft der Slawen weichen werde". Auf einer beliebten Seite werde diese Theorie auch numerologisch unterstützt: "Die Königin starb am achten Tag des Monats September, dem 8.9., dessen Quersumme die 17 ist, was dem Buchstaben q entspricht, der für QAnon steht." Ferner werde vielfach Putins Narrativ bedient, nach dem der Westen eine rassistische Kampagne gegen die Slawen fahre. Diese werden im Gegenzug auf Seiten wie somslovan.sk im Vergleich zur moralisch verkommenen westlichen Konsumgesellschaft als geistig und moralisch auf der Höhe gesehen. Besonders erfolgreich, so Žabka, sei neuerdings die internationale Sekte AllatRa mit ihrer als "Bewegung" titulierten "Creative Society", die in Tschechien als "Tvořivá společnost" bereits Tausende von Anhängern habe. Die Gruppe unterhält ein Netz von über 200 Accounts mit Hunderttausenden Followern auf den wichtigen Social-Media-Plattformen. Ein gewisser Igor Mihajlovič Danilov (in diesem Fall offenbar ukrainischer Herkunft) fungiere als eine Art Guru der Sekte, nach dessen Worten Menschen, die sich gegen die Creative Society stellten, keine Menschen, sondern Tiere seien, die nicht die gleichen Rechte haben sollten. Andere Beispiele seien der tschechische Youtube-Kanal "Hovory ze země" (Gespräche aus dem Land), auf dem New-Age-Persönlichkeiten in Gesprächen über Spiritualität und Liebe zur Natur auch ihre Verschwörungs- und Desinformationsnarrative (etwa über den erfundenen Coronavirus) verbreiten dürfen, oder die konspirative Seite "Otevři svou mysl" (Öffne deinen Sinn) von David Formánek, dessen Telegram-Kanal mit rund zwanzigtausend Followern zu den beliebtesten von Tschechien und der Slowakei gehörten.

Magazinrundschau vom 07.02.2023 - Hlidaci pes

Trinken in Zeiten des Sozialismus - Barbora Šťastná berichtet in einem interessanten Artikel davon, wie allgegenwärtig Alkohol in der Jahren der kommunistischen "Normalisierung" in der Tschechoslowakei war: Von den 60er- zu den 80er-Jahren habe sich die Anzahl der Alkoholiker verdreifacht. Die Atmosphäre allgemeinen Misstrauens und die Unmöglichkeit, bestimmte Ambitionen zu realisieren, machten, dass Trunkenheit zu einer willkommenen und gesellschaftlich relativ anerkannten Ausflucht aus der grauen Realität wurde. Auch in der Arbeit, auf Versammlungen, auf dem Bau. "In einer Gruppensitzung erzählte mir ein Arbeiter, wenn die Männer montags zur Baustelle kämen und kein ideales Wetter sei, setzten sie sich hin und fingen an zu trinken", berichtet Vladimír Řehan, damaliger Leiter eines Entzugssanatoriums. "Manchmal tranken sie eine ganze Woche. Der Bauleiter musste ihnen dann fiktive Leistungen ausweisen." Auch die heimische Schwarzbrennerei von Schnaps war weit verbreitet. Božena Beňová erinnert sich, in ihrer Kindheit in der Ostslowakei war Schnapstrinken ein so eingefahrener gesellschaftlicher Zwang, dass ihre Eltern in die Methodistenkirche eintraten, in der Alkohol verboten war: "In Zemplín wurde schlimm gesoffen, nach dem Gottesdienst ging man geradewegs in die Wirtschaft, und wer nicht wie die anderen trank, hatte keine Chance. Der Beitritt zu unserer Kirche war eine gewisse Lösung, dem Druck zu entkommen." Das kommunistische Regime sah Alkoholismus als großes Problem an, das anfangs freilich als "Erbe des Kapitalismus" deklariert wurde. Man versuchte, dem Problem unter anderem mit Preiserhöhungen für Luxusspirituosen zu begegnen. (Die Bierpreise zu erhöhen kam nicht in Betracht.) In der Gegend von Ostrava warb das Regime, um Hochprozentiges zu bekämpfen, sogar eigens für Wein und errichtete Weinanbaubetriebe, um die Gesundheit der Bergarbeiter wenigstens etwas zu bessern. Im medizinischen Bereich war Behandlung von Alkoholsucht oft eine Domäne politisch missliebiger Ärzte, da niemand anders diese Arbeit machen wollte. Eine wichtige Persönlichkeit sei der Arzt Jaroslav Skála gewesen, der schon früh einen Club nach dem Vorbild der Anonymen Alkoholiker gründete - da sein Programm auch spirituelle Elemente enthielt, war es den Kommunisten ein Dorn im Auge. Um ihn sammelte sich über die Jahre ein Kreis von Ärzten und Therapeuten aus dem Dissidentenmilieu, die Alkoholiker behandelten und sich von der gängigen Aversionstherapie abwandten. Psychotherapeutische Übungen, bei denen Menschen von persönlichsten Dingen berichteten, wurden dann natürlich auch für die Staatssicherkeit interessant, die in den siebzger Jahren offenbar gezielt auch Psychiaterspitzel einschleuste.

Magazinrundschau vom 29.08.2022 - Hlidaci pes

Eine "Gedenkstätte des dreifachen Widerstands" wird dieser Tage im böhmischen Lošany auf dem ehemaligen Gutshof der Mašíns eröffnet, wie Robert Břešťan berichtet. Die Familie Mašín ist in Tschechien so berühmt wie umstritten: Der Vater, General Josef Mašín senior, war während der deutschen Okkupation ein wichtiger Widerstandskämpfer und wurde von den Nationalsozialisten hingerichtet, er gilt als unumstrittener Held. Seine Söhne Ctirad und Josef junior - die "Mašín-Brüder" - gingen nach der kommunistischen Machtergreifung ihrerseits in den Untergrund und verübten Anschläge gegen das kommunistische Regime, wobei sie menschliche Opfer in Kauf nahmen. Ihre spektakuläre Flucht nach Berlin, bei der sie vier Volkspolizisten erschossen, spaltet bis heute die Gemüter, so Břešťan. Die einen betrachten sie als Helden, die anderen als Verbrecher. So ist auf der Webseite der Gedenkstätte auch möglichst neutral davon die Rede, dass sich "die ganze moderne Geschichte der Tschechoslowakei und der Tschechischen Republik anhand der Schicksale einer einzigen Bauernfamilie und ihrer Weggefährten ablesen lasse". Zur Eröffnung wird es auch eine Diskussionsrunde mit Zdena Mašínová (Schwester von Ctirad und Josef) geben, die das elterliche Gut (das von der Familie schon seit dem 17. Jahrhundert bewirtschaftet wurde) erst 2018, fast 30 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, zurück erhielt. Der tschechische Premier Petr Fiala soll immerhin bei der Einweihung zugegen sein. "Angesichts der Tatsache, dass die kommunistische Partei bei den letztjährigen Wahlen aus dem Parlament flog, wird darüber spektuliert, ob auch Josef Mašín, das letzte noch lebende Mitglied der Widerstandsgruppe, erstmals nach seiner dramatischen Flucht nach Berlin wieder nach Tschechien kommen werde", so Břešťan. "Aber die Organisatoren der Veranstaltung haben seine Teilnahme mit keinem Wort erwähnt."

Magazinrundschau vom 09.08.2022 - Hlidaci pes

Der ukrainische Dichter und Übersetzer Oleh Kozarew ist derzeit die Kontaktperson für die tschechische Stiftung Charon, die ukrainischen Künstlern im Krieg hilft. Wie die Situation für viele seiner Kollegen aussieht, schildert Kozarew im Interview mit Lucie Sýkorová so: "Zum Beispiel der Dichter Ihor Mitrow. Bis Februar 2022 (…) hätte man ihm auf vielen Lesungen begegnen können. Jetzt ist er ein ukrainischer Soldat. Oder Oleg Kalashnyk, ein Künstler aus Charkiw. Seine Ausstellungen organisiert er in der Charkiwer U-Bahn und unterirdischen Tunnels. Warum? Weil sich viele Bewohner Charkiws in U-Bahn-Gängen und Kellern aufhalten, weil die Stadt unter regelmäßigem russischen Raketenbeschuss liegt. Mychajlo Ozerov ist Schauspieler in einem Puppentheater. Auch er spielt jetzt in U-Bahn-Vorführungen. Die Dichterin und Drehbuchautorin Luba Jakymtschuk war während der russischen Angriffe im Frühling in Kiew, als versucht wurde, die Hauptstadt einzunehmen. In dieser ganzen Zeit war sie als freiwillige Helferin tätig. Und Vasyl Riabko, Frontman der Rockband 'Papa Carlo', ein lustiger Festivaltyp, verteilt jetzt mit einem kleinen Bus humanitäre Hilfsgüter und evakuiert Zivilisten, die bombardiert werden. Die Dichterin und Übersetzerin Daryna Berezina war gezwungen, ihre Heimat und all ihr Hab und Gut zurückzulassen und aus Mykolajiw in den Westen des Landes zu fliehen. Der Bildhauer Arsen Pelushok ist nach der Eroberung und Befreiung von Butscha, wo er lebt, ohne Arbeit. Der belarussische Dichter Sergej Prilutsky verbrachte ebenfalls mit Frau und Sohn zwei Wochen im besetzten Butscha. Sie versteckten sich im Keller eines fremden Hauses. Erhitzten sich auf einem Feuer im Hof Wasser zum Kochen und Waschen, weil es in den Häusern weder Strom noch Gas noch Wasser gab. Überall um sie waren Schüsse und Explosionen zu hören. Nur einen Kilometer von ihnen entfernt brachten die russischen Soldaten Zivilisten um. Momentan versuchen dieser Dichter und die Stadt Butscha in ein normales Leben zurückzufinden. Die Lyrikerin und Übersetzerin Iya Kiva wurde zum ersten Mal 2014 zur Flüchtigen, als Russland ihre Geburtsstadt Donezk besetzte. Darauf zog sie nach Kiew um. Nach dem neuen russischen Angriff ging sie fort nach Lwiw, wo sie jetzt als freiwillige Helferin sehr aktiv ist." Oleh Kozarew betont auch noch einmal die Wichtigkeit der monetären Unterstützung, denn "diese Leute sind in einer katastrophalen finanziellen Situation, und gleichzeitig helfen sie alle der Armee, den Flüchtlingen, Ärzten und so weiter."

Magazinrundschau vom 11.01.2022 - Hlidaci pes

Nachdem die norwegische Neuverfilmung des Weihnachtsklassikers "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" in Tschechien für einiges Rumoren gesorgt hat, glaubt Jan Žabka sich einmal dem Phänomen widmen zu müssen und die Filme zu vergleichen: "Sowohl das norwegische als auch das tschechische Aschenbrödel sind relativ emanzipierte weibliche Märchenfiguren." Anders als in der Version der siebziger Jahre stürze sich aber das norwegische Aschenbrödel nicht sofort bedenkenlos auf die Heiratsidee, sondern "macht sich bewusst, dass sie den Prinzen gerade mal ein paar Tage kennt. Sie ist sogar bereit, ihm klarzumachen, dass sie eine Entscheidung erst treffen wird, wenn sie sich ein bisschen besser kennengelernt haben. Die Möglichkeit eigener Entscheidung wird auch durch die Tatsache betont, dass die letzte der drei Nüsse kein Brautkleid enthält, sondern leer ist und Aschenbrödel die Wahl hat." Auch gebe die norwegische Version nicht zu erkennen, dass jemand, nur weil er den Königstitel besitzt, mehr wert sei als andere. Eine große Aufregung hatte sich zwischenzeitlich daraus ergeben, dass die norwegische Produktionsfirma für Tschechien (und andere Länder) zunächst eine Version vorgesehen hatte, in denen ein Kuss zwischen zwei männlichen Nebenfiguren nicht enthalten ist, weil man offenbar davon ausging, dass Homosexualität dort ein so rotes Tuch sei wie im aktuellen Polen oder Ungarn. Auf Protest der tschechischen LGBTQ-Szene bekam man dann doch die unzensierte Originalfassung zu sehen. Insgesamt macht sich Jan Žabka ein wenig lustig darüber, dass manche seiner Landsleute den Kultstatus des tschechischen Aschenbrödel bedroht sähen. Die norwegische Version wolle die tschechische weder abkupfern noch verwerfen. "Sie bietet lediglich eine Alternative für das 21. Jahrhundert, in der auch Behinderte sich im Alltag nicht verstecken müssen und Männer - stell dir vor - sich einfach auf der Straße einen Kuss geben können."

Magazinrundschau vom 07.09.2021 - Hlidaci pes

Der Handel mit illegalen Pflanzenschutzmitteln gehört offenbar zu den einträglichsten Zweigen des organisierten Verbrechens, und besonders in Tschechien greifen Landwirte ahnungslos zu den gefälschten Produkten. Robert Břešťan unterhält sich darüber mit Miluše Dvoržáková vom tschechischen Pflanzenschutzverein, die sich auf Zahlen des EU-Amtes für geistiges Eigentum beruft. Das Problem sei: Während etwa in Frankreich auf den Handel mit illegalen Pestiziden bis zu sieben Jahre Haftstrafe und eine Geldbuße bis 750.000 Euro drohen, sei in Tschechien noch keine rechtliche Grundlage für den Strafbestand geschaffen. Manche dieser Produkte "haben eine völlig wirkungslose Zusammensetzung, andere enthalten unerlaubte, für Natur und Mensch schädliche oder sogar krebserregende Substanzen." Die Landwirte griffen dazu, weil sie bis zu 40 Prozent billiger seien. In Tschechien wurde zum Beispiel ein gefälschtes Produkt sichergestellt, "das im Unterschied zum Original ein Lösungsmittel enthielt, mit dem Frauen nicht in Kontakt kommen dürfen, weil es ungeborenes Leben schädigen kann. Die Warnhinweise entsprachen aber nur dem Originalprodukt, das dieses Lösungsmittel nicht enthielt." Für die Hobbygärtner wiederum gebe es Pflanzenschutzmittel auf dem Markt, die Glyphosat enthielten. Übrigens: "In deutschen Gartencentern gibt es diese Mittel nicht zu kaufen, weshalb Gärtner aus Deutschland und Österreich sie sich hinter der Grenze in Tschechien besorgen. Schauen Sie sich's an, wie viele Fälschungen da im Angebot sind."

Magazinrundschau vom 31.08.2021 - Hlidaci pes

Wie immer ist der "Blick von außen" aufschlussreich, und so führt Robert Břešťan ein interessantes Gespräch mit dem Diplomaten und Übersetzer Tomáš Kafka, der direkt nach der Wende als Kulturattaché und nun seit 2020 als Botschafter Tschechien in Deutschland vertritt. Sein erster Aufenthalt war "vor dreißig Jahren, kurz nach der deutschen Wiedervereinigung und auch nach dem deutschen Fußball-WM-Sieg, als auch Franz Beckenbauer sagte, die Deutschen seien das glücklichste Volk auf der Erde. Ich habe recht schnell festgestellt, dass dem nicht so ist", so Kafka. "In Wahrheit waren die Westdeutschen mehr oder weniger unzufrieden mit dem Tempo der Wiedervereinigung und der Bereitschaft der Ostdeutschen, sich anzupassen. Und die Ostdeutschen hatten das Gefühl, dass überall eine Art Dankbarkeit von ihnen erwartet wird und dass von ihrer Art zu leben kaum etwas übrigbleibt." Als er aber 2020 wieder nach Deutschland kam, sei noch eine "Ära goldener Zeiten" zu spüren gewesen, "die plusminus mit der Wahl Angela Merkels begonnen hatte. Da waren die Deutschen vielleicht wirklich eine der glücklichsten Nationen der Welt." Dieses Selbstvertrauen habe dann aber recht schnell zu schwinden begonnen, denn Corona habe in Deutschland eine Menge verborgener Mängel aufgedeckt. "Ich würde sagen, die Deutschen waren die Champions der Analog-Ära, aber jetzt in Zeiten der Digitalisierung zeigt sich auf einmal, dass Deutschland nicht sehr weit fortgeschrittten ist. Ebensowenig im Bereich Energie und Klima, wo die Deutschen immer Avantgarde sein wollten." Jetzt hinke man auf einmal hinterher, und es beginne eine neue Ära des Grübelns. Was die deutsch-tschechischen Beziehungen betrifft, erkennt Kafka insgesamt eine positive Entwicklung. Aus dem "Verhandeln" sei "Dialog" geworden. "Wir haben gelernt, offen miteinander zu reden und kennen uns - vielleicht auch dank des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds - inzwischen ganz gut."

Magazinrundschau vom 26.01.2021 - Hlidaci pes

Als im vergangenen Frühling an vielen Orten entlang der deutsch-tschechischen Grenze sich Spaziergänger beider Länder zu "Samstagen für die Nachbarschaft" trafen, um auf friedliche Weise gegen die pandemiebedingt geschlossene Landesgrenze zu protestieren, wurden Mitarbeiter des Prager Nationalmuseums auf diese Happenings aufmerksam, wie Hlidaci Pes berichtet. Und so habe die Abteilung neuerer tschechischer Geschichte des Národní Muzeum "Artefakte" dieser tschechisch-deutschen Begegnungen in ihre Sammlung aufgenommen, erzählt Robert Malecky, darunter handbemalte Transparente mit der Aufschrift "Wir sind sousedé/ My jsme Nachbarn", persönliche Zettelbotschaften sowie eine hölzerne "Handschüttelwippe", die von beiden Seiten betätigt werden konnte, ohne dass man die Grenze überschreiten musste. Wie einer der deutschen Teilnehmer der Begegnungen sagte: "Für mich gab es diese Grenze lange Zeit gar nicht mehr, und auf einmal ist sie wieder da. Das schockiert mich, damit kann ich mich nicht abfinden." Auch wenn die Treffen an der grünen Grenze momentan wegen der jeweiligen Lockdowns nicht mehr stattfinden - die Prager Museumsmitarbeiter möchten sie als wichtige Äußerung gesellschaftlichen Lebens in Zeiten der Pandemie dokumentieren.