Joy E. Stocke, Mitbegründerin des Magazins,
dokumentiert ein Gespräch (
hier als Video), das
Paul Holdengräber, Direktor der New York Public Library, mit dem italienischen Historiker und Kulturwissenschaftler
Carlo Ginzburg geführt hat. Holdengräber wollte wissen, was es für Ginzburg heißt, jüdisch zu sein: "Ginzburg erinnert sich lebhaft, wie er mit Mutter und Großmutter
an der Front in den Bergen über Florenz lag. Die Deutschen waren auf dem Rückzug nach Norden und metzelten Zivilisten nieder. 'Meine Großmutter befahl mir zu sagen, mein Name wäre Carlo Tanzi, der nicht-jüdische Name ihres Vaters. Sie schrieb den Namen in das Buch, das ich las, der Titel lautete 'The Happiest Child in the World'. Zurückblickend stelle ich fest, dass ich
in dem Moment zum Juden wurde. Letzten Sommer erzählte ich zwei israelischen Studenten in Berlin davon. Sie waren schockiert. Ich muss die Hintergründe erklären. Es gibt eine Abwehr gegen die weit verbreitete Annahme von Identität. Ich persönlich mag diese Annahme nicht. Ich denke Identität wird als
politische Waffe benutzt, um Grenzen zu ziehen und Gruppen oder Individuen zu marginalisieren. Identität kann nicht analytisch betrachtet werden. Aber ich möchte auch einen anderen Ansatz zur Erklärung dessen vorschlagen, was ein Individuum ist. Nehmen wir an, ein Individuum verfügt über Punkte, an denen sich unterschiedliche Mengen überschneiden. Ich gehöre der Menge der menschlichen Spezies an. Ich gehöre noch weiteren Mengen an: Geschlecht, Sprachgemeinschaft, Beruf usw. Als Historiker stelle ich mir das Individuum weniger allgemein vor und mehr als
Interaktion genau bezeichneter Elemente … Die Vorstellung des Judeseins leuchtet mir nicht ein. Aber eine sich verändernde Beziehung zwischen all diesen Elementen und noch anderen Elementen, die eine sich verändernde Beziehung zum Judesein beinhaltet, leuchtet mir sehr wohl ein. Denkt man über das Judewerden nach, muss man sich fragen, wie diese Beziehung sich ändert.'"