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Rubrik: Tagtigall - 39 Artikel - Seite 1 von 3
Tagtigall 25.04.2023 […] Überzeugung ist, dass man besser nicht "den Zorn eines Mannes" weckt, / Welcher an Macht den Göttern gleicht", heißt es an anderer Stelle. "Wir drehten die Machtverhältnisse um und um", und später im Buch schreibt Dido an Aeneas: "Wer warst du schon, ein Flüchtling warst du, der nicht mehr weiß, wie er heißt." Schnee, Krieg, Flüchtlinge, Sturmgewehre, Küstenwachboote und gesunkene Schiffe geistern durch die […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 16.10.2022 […] I.
"Sprache ist Atem, gefüllt mit Sinn", schreibt der ukrainische Dichter Serhij Zhadan 2020 in einem Gedicht. Eine Zeile, die sich wie ein Echo liest auf das Diktum Paul Celans, das Gedicht sei eine "Spur unseres Atems in der Sprache", denn das Sinnliche, Sinnfällige der Sprache sei das Geheimnis der Gegenwart einer Stimme". Tatsächlich ist jede Erwartung in die Wirkmacht der Sprache "trügerisch" […] und blühenden Kirschbäumen, die sich einst mit romantischen Schäferstündchen verbanden, mutierten, wie er sagte, für eine ganze Generation zu Bildern tödlicher Gefahren.
Das war 2015. Wie aber schreibt man heute, unterm Bombenhagel? Wie, wenn es andauernd irgendwo brennt? Wenn Worte aus historischen Romanen wie Kollaboration, Besatzung, Annexion plötzlich reaktiviert werden. Wie findet man zu einer […] die das eigene Erleben nicht in Hohlformen der Vergangenheit gießt? Krieg subsumiert das eigene Wahrnehmen unter allgemeine Begriffe, macht eigenes Planen zunichte.
Seit dem russischen Überfall schreibt Zhadan Nachrichten in den Sozialen Medien, die der Suhrkamp Verlag soeben unter dem Titel "Himmel über Charkiw" veröffentlicht hat. Darin kann man mitverfolgen, wie der Autor Tag um Tag und Nacht […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 02.08.2022 […] Poesiefestival in Berlin eine Anthologie belarusischer Dichterinnen vorgestellt worden, und dazu gab es ein kleines Heft mit Übersetzungen - darunter auch mit Gedichten von Tania Skarynkina. Ihre Lyrik schreibt sie auf Russisch, ihre Prosa auf Belarus, genauer vielleicht auf Smarhonisch, wenn es das gibt; in ihre Texte jedenfalls mischen sich Polnisch und Russisch hinein, denn ihre Herkunftsregion ist v […] multikulturell - wie das Land, das immer wieder seine Menschen verlor, weil diese vor neuen Machthabern fliehen mussten.
So alltäglich ihre Gedichte scheinen, die Bedrängnis, aus der heraus Skarynkina schreibt, unterminiert jedes ihrer Bilder, ist unheimlich - ein Alptraum:
staub auf dem kopf des souvenirs
staub gewischt heute auf dem buddhakopf
wo bloß der viele Staub im Haus herkommt
[…] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 13.05.2022 […] hoher rhetorischer Kraft und kreist um die fehlende Großfamilie, die Geschichte Kongos und um die Toten des Kongoflusses ("Es ist nicht Blut, vielmehr der Kongofluss, der in meinen Venen braust"). Er schreibt auf Französisch, der Sprache der einstigen Kolonisatoren. Es verstört, wie er seine Gedichte im Vortrag verlacht, um sie, wie er sagt, aus dem Käfig der Kolonialsprache zu befreien. "Ich habe eine […] Improvisation u.a. auf das Wort Fluss während der Poetica.
Video copyright Maria Stepanova
Die Kunst der äthiopischen Dichterin Mihret Kebede handelt vom Fehlen und vom Verfehlen der Worte. Sie lebt, schreibt und forscht derzeit in Österreich. Im Mittelpunkt steht dabei die Stille. Auf der Bühne in Köln stand sie minutenlang schweigend da, während aus dem Off (ihres Handys) eine Kaskade aus Beschimpfungen […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 06.03.2022 […] Ausstellungstitels 'Tryvoha', was gleichzeitig 'Angst' und 'Alarm' bedeutet." Foto: Yevgenia Belorusets Das Kriegs-Tagebuch, das Yevgenia Belorusets mit ihrem fotografischen Blick derzeit im Spiegel schreibt, verweigert sich ebenfalls solcher Kriegssprache. Sie setzt stattdessen auf enorme Menschenfreundlichkeit. Ihre dem Schweigen abgerungenen Zeilen lesen sich, als habe sie von René Chars "Madame Mouche" […] wie sie mit ihren alten Eltern einen kleinen Ausflug in eine private Galerie unternimmt. Die seelische Anstrengung, die jede Minute dieses Gangs gewesen sein muss, kennen wir nicht.
Belorusets schreibt auf Russisch, Zhadan auf Ukrainisch. Stimmen wie die ihren sind Klopfzeichen des Widerstands. Ihre Sprache weigert sich, wie Inger Christensen es einmal beschrieb, das Menschsein aufzugeben. Kann […] ung jenes Ortes, wo einst das Massaker von Babyn Yar stattfand. Doch wie überwindet man Zerstörung?
"Ich habe mich in den vergangenen Tagen immer wieder gefragt, wie das Gehorchen funktioniert", schreibt Belorusets am 3. März in ihrem Kriegs-Tagebuch. Sie hatte ein Video mit einem russischen Soldaten gesehen, der nach einem Kampfeinsatz weinend seine Tochter um Verzeihung bat, weil vielleicht bei […] Von
Marie Luise Knott